Full Metal Jacket – Tilak Raptor
Full Metal Jacket – Tilak Raptor

Full Metal Jacket – Tilak Raptor

Das Produkt

Ich habe vor paar Jahren die tschechische Outdoormarke Tilak für mich entdeckt. Soweit ich weiß stellen die in erster Linie Outdoorbekleidung her – Hosen und Jacken, Hardshell, Softshell, fertig. Und wie der Zufall so schön spielte, war derzeit gerade eine neue Jacke notwendig, den Vorgänger hatte ich total zerstört. Also los, Prämissen formuliert und das Angebot entsprechend gefiltert.

So suchte ich ein robustes Hardshell-Oberteil, welches einen Kompromiss zwischen Stabilität und niedrigem Gewicht eher in Richtung der Haltbarkeit entscheidet und trotzdem leicht ist. Wichtig ist mir: mechanischer Beanspruchung z. B. durch Felskontakt, Rucksackriemen, Hauen von Eisgeräten oder ganz profanen Dreck sollte das Produkt ebenso standhalten wie gestopften Transport im engen Rucksack oder Gebrauch als Sitzunterlage. Grundlegende Eigenschaften wie Wind- und Feuchtigkeitsschutz sollten natürlich auch gegeben sein.
Am Ende meinte ich, mit genau dieser Jacke das Richtige gefunden zu haben:

Tilak Raptor

Das Flaggschiff im Tilak-Sortiment ist aus robustem 3-Lagen GORE-TEX® Pro gefertigt und der ideale Wetterschutz auf Expeditionen sowie beim Bergsteigen oder bei Skitouren unter extremen Bedingungen.

Der Name Raptor soll wohl Assoziazionen zu Dinosauriern erzeugen. Hinsichtlich der unterstellten derben Haut der Dinos eine durchaus gute Begriffswahl. Die Farben meines Flaggschiffs haben wahrscheinlich nichts mit Dinosauriern zu tun. Ich finde senffarben-eisblau (immer noch) nicht besonders schön, aber das ist unwesentlich. Viel wichtiger ist, was es kann!

Was es kann:

Wichtig ist mir bei einer Hardshell-Jacke, dass sie regendicht und atmungsaktiv ist. Das ist natürlich – so absolut formuliert – ausgesprochener Blödsinn und wird von keinem einzigen Bekleidungsgegenstand der Welt erfüllt. Ist’s zu warm, dann schwitzt die Jacke von innen und atmet nicht mehr richtig. Dann kann man sie aber meist auch ausziehen. Ist’s andererseits viel zu nass, dann hilft irgendwann auch kein Gore-Tex mehr. Zumal einige Öffnungen einfach notwendig sind (ich möchte da beispielgebend auf Hals und Arme verweisen), und im Dauerregen auch dort Feuchtigkeit eindringen kann. Trotzdem möchte ich bei einem mittleren Landregen nicht das Gefühl haben unter der Dusche zu stehen. Und das klappt mit dem Raptor im Rahmen der grundsätzlichen Schwächen des (atmungsaktiven) Materials schon mal sehr gut. Ich meine sogar, im Hinblick auf andere Jacken mit ähnlicher Membran, vergleichsweise lange trocken geblieben zu sein.

Entscheidend finde ich aber letztlich das Vermögen, in sturm- und schneereicher Umgebung sowohl Sturm als auch Schnee vom Körper abzuhalten. Und das klappt sogar ganz hervorragend! Hochgebirgstauglich ist diesbezüglich die (oder der?) Tilak Raptor auf jeden Fall!

Leicht und stabil soll sie sein! Wer sich hier die eine oder andere Sportkasper-Mission mal angesehen hat, der stellt fest: Ja, diese Jacke wird getragen! Damit wird gelaufen und geklettert, Berg gestiegen und im Dreck rumgerutscht. Und das macht der Raptor gut mit. Natürlich kann man sie dann nicht mehr ins Büro anziehen, aber wozu auch? „…unter extremen Bedingungen…“ erklärt die Produktbeschreibung. Nix Büro – Fels und Eis!

Cut Innenseite – Tape entfernt

Kleine Risse kommen mir häufig mal vor. Irgendwo am Fels langgeschrammt, an ’nem Ast hängen geblieben – schnell ist mal ein kleiner Cut in der Aussenhaut. Das ist aber kein Problem, Risse kann man ganz prima von innen mit Tape abkleben. Sofort ist die Jacke wieder dicht.
(Ist jetzt übrigens nicht so, dass meine Jacke nur noch von Tape zusammen gehalten wird)

Was man auf dem Bild ausserdem gut erkennen kann: die Nähte sind abgeklebt. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit bei Hardshells, aber ich dachte ich sage es nochmal dazu.

Die Verarbeitung ist insgesamt bis auf eine Ausnahme ganz große Klasse. Die Nähte – jaja, sagte ich bereits, der Frontreißverschluss tut unbeirrt sein Werk, die Klettverschlüsse tun es als wäre es ihr erster Tag.

So, und nun bin ich eben nochmal zur Küchenwaage gegangen um das gute Stück zu wiegen. Ist es denn leicht? 643 Gramm inclusive etwas Bergdreck und sicherlich auch Schweiß. Dazu ein Streifen Tape und (unten im Bild) etwas Mehl auf der Waage. Andererseits fehlt auch schon ein Gummi. Dazu später…

643 Gramm

Gewichtsfazit: Trägt sich gut und ist für sein Gewicht derbe stabil.

Mit einer Ultraleichtjacke ist das natürlich nicht zu vergleichen, die würde allerdings bereits nach dem ersten Kamin in Streifen hängen… Ich darf das sagen, hab schon ausreichend Kleidung zerrieben. Wenn ich mir das gute Stück so ansehe – man sieht ihm die letzten neun Jahre eigentlich gar nicht an. Die Oberfläche ist immer noch glatt und das Material nicht über die Maßen eingedreckt. Trotz Felskontakt und Lagerfeuer.

Apropos Lagerfeuer: Der gemeine Standardfunke vom Lagerfeuer macht der Jacke gar nichts aus. Ins Feuer legen sollte man sie wahrscheinlich trotzdem nicht, sie riecht dann so streng. Andererseits wäre sie dann sicherlich noch bedeutend leichter…

Die Ausstattung

Wie jedes gute Yps-Heft lebt Outdoorbekleidung natürlich auch von Gimmicks, von Details die die Jacke von der anderer Hersteller abhebt. Was gibt’s also dazu? Wie ist das Kleidungsstück auf seinen Einsatzzweck vorbereitet? Was macht das Tragen angenehm, was notwendig und wenn ja, warum nicht?

Tilak Raptor
Tilak Raptor
Brusttaschen unter Abdeckung (l+r)
Brusttaschen unter Abdeckung (l+r)
Direkt links und rechts neben dem abgedeckten Hauptreißverschluss befindet sich jeweils eine große Tasche. Ebenfalls verschlossen mit ’nem abgedeckten Reisverschluss, ausreichend groß für Telefon oder Kletterführer. Nachteil: Die Taschen sind sowohl von innen als auch von außen mit Gore-Tex bedeckt. Der Tascheninhalt ist also mitten in der dampfführenden Schicht und bekommen damit die volle Ladung Schwitzwasser ab. Abhilfe: nicht schwitzen!
Tasche am linken Unterärmel
Tasche am linken Unterärmel

Warum auch immer hier eine Tasche angebracht wurde. Reißverschlussverschlossen bietet sie genug platz für ein kleines Telefon. Praktisch ist das aber nicht, weil das Gewicht an dieser Stelle nervt.

Keine Ahnung was sich die Entwickler der Jacke dabei gedacht haben, cool sieht’s auf jeden Fall aus.

Innentasche links
Innentasche links

Was soll man dazu noch sagen? Es ist eine Innentasche. Sie befindet sich links.

Kapuze
Kapuze

Die Kapuze hat alles, was eine gute Kapuze braucht:

  • groß genug für Helmgebrauch
  • kann enger gestellt werden (Gummizug)
  • kann aus dem Gesichtsfeld gezogen werden (Klettverschluss)
  • hat eine Sonnenblende (verstärkt)
Weicher Aufsatz am Hals/Kinn
Weicher Aufsatz am Hals/Kinn

Da piekt und kratzt höchstens der Bart – so vorhanden. Der Reißverschluss verschwindet im Bahnhof und die Kinnpartie wird innen von einer Art Samt bedeckt. Sehr angenehm…

Gut griffiger 2-Wege Reißverschluss
Gut griffiger 2-Wege Reißverschluss

Auch mit Handschuhen gut zu bedienen. Der Reißverschluss: Zwei Wege, Griffstück am oberen Schlitten und Bahnhof am oberen Ende.

Warum eigentlich von oben und von unten zu bedienen? Ganz einfach: Bist Du klettern und hast die Jacke über den Gurt gezogen, so kannst Du den unteren Reißverschluss soweit öffnen, dass das gespannte Seil nicht die ganze Jacke nach oben schiebt.

Schneeschutz auf Taillenhöhe (herausnehmbar)
Schneeschutz auf Taillenhöhe (herausnehmbar)

Hab ich nie gebraucht aber wer weiß? Jedenfalls gibt es da diesen innenliegenden kleinen Lappen, der auf Taillenhöhe einmal um den Körper geht. Schnee und Windschutz wahrscheinlich. Ist auf jeden Fall abnehmbar, nervt aber auch nicht wenn eingebaut.

Auf der selben Höhe ist übrigens auch noch ein Taillenzug, der Gummi ist mir aber erst ausgeleiert und dann kaputt gegangen. Ist aber normaler Verschleiß und einfach zu ersetzen.

Große Belüftung unter den Armen
Große Belüftung unter den Armen

Sehr Praktisch: riesige, verschließbare Belüftungen unter den Armen. An die Zipper kommt man ausgesprochen gut heran – das ist nicht selbtverständlich – und sie lassen sich prima öffnen und schließen.

Sidefact: Kann man auch mal nutzen, um an der Brusttasche einer darunter befindlichen Softshelljacke rum zu fummeln.

Contra: Der Reißverschluss dieser Öffnung wurde NICHT genäht sondern irgendwie geklebt. Das ist der Pferdefuß der Jacke. Siehe nächstes Bild…

Äußere Tasche rechte Brustseite
Äußere Tasche rechte Brustseite

Eigentlich sind genügend Taschen da, aber was solls: Eine weitere Brusttasche auf der rechten Brustseite.

Dieses Modell hier wurde zugeklebt. Nicht dass ich finde, es sieht besonders gut aus mit dem grünen Tape außen auf der Jacke, aber es ist erstmal wieder dicht. Auch dieser Verschluss wurde nämlich nicht eingenäht sondern -geklebt. Und diese Verklebung scheint sich über die Jahre zu lösen.

Die Ärmelöffnungen sind mit Klettverschlüssen gut anpass- und verschließbar, alle anderen Öffnungen haben einen mit einer Hand zu bedienenden Gummizug. Auch nicht selbstverständlich ist eine Lasche zum Aufhängen der Jacke.

Der Kragen schließt sehr weit hoch, im Prinzip ist der Verschluss bis unter die Nase schließbar. Am anderen, nämlich am unteren, Ende der Jacke wurde die Rückenpartie etwas länger geschneidert – es zieht selbst bei hartnäckigen Hebe- und Beugefiguren nicht am Rücken. Auch gut geformt sind die Ärmel, nämlich etwas „vorgeformt“. Das heist nichts anderes als dass die Ärmel am Ellebogen schon einen kleinen Knick eingebaut haben. Kennt man von einigen Jeans an den Knien und hat auch die selbe Funktion: Das Beugen der Extremität im etwas festeren Material zu vereinfachen. Läuft…

Apropos Ärmel! Die sind nicht nur im Durchmesser sondern auch in der Länge großzügig dimensioniert. Es ist also immer irgendwie möglich noch verschiedenste Zwiebelschichten drunter zu ziehen und sieht trotzdem nicht aus wie ein Michelinmännchen und die Hände können gut bedeckt werden.
Klar, hätte ich mir ’ne Größe XS geholt wäre das wahrscheinlich nicht so easy gewesen.

Es gibt noch diverse Laschen und Ösen deren Funktion mir nicht geläufig ist. Jedenfalls haben sie mich nicht gestört. Im Zweifelsfall könnte man da einfach was dranhängen; ein Liftkartenrollo zum Beispiel, oder ein Klavier.

Das Problem

RV defekt
RV defekt

Man sieht es auf einigen Bildern: Ein Stück grünes Tape, gut sichtbar auf der linken Vorderseite. Darunter befindet sich der Zugang zu einer Tasche und deren Reißverschluss hat aufgegeben.

Nein, eigentlich hat nicht der Reißverschluss aufgegeben sondern die Befestigung des Verschlusses in der Jacke. Die Nähte sind nämlich nicht genäht sondern geklebt. Spart wohl Gewicht, ist ja klar, aber scheint eben auch nicht dauerhaft zu halten. Da wäre also der gut sichtbare Verschluss der rechten Außentasche – geklebt – und die Verschlüsse der Belüftung unter den Armen – geklebt. Beides hat sich wieder gelöst, beides ziemlich unpraktisch. In die Tasche regnet es rein und unter den Armen pfeift der Wind durch. Blöd…

Ich halte die defekten Verklebungen für einen konstruktiven Fehler, alle anderen Risse und Defekte sind normaler Verschleiß beziehungsweise meiner robusten Behandlung geschuldet. Ich habe die Jacke bestimmt nicht geschont sondern der Bestimmung gemäß hart verwendet. Viel Felskontakt und Feuchtigkeit, Hitze und Schnee. Trotzdem ist die Jacke (abgesehen von den defekten Verklebungen) nicht weniger Dicht als zum Zeitpunkt des Kaufes. Das war übrigens im Herbst 2014! Irgendwann gibt eben alles mal auf…

Andere Nähte bzw. Verbindungen sind wohl auch geklebt, halten aber trotzdem. Es scheint so als ob das Material, aus welchem die Seitenflanken des Reißverschlusses gemacht sind, nicht wirklich zum Verkleben geeignet wäre. Es sind nämlich nur diese wasserdichten Reisverschlüsse (mit der Dichtungslippe), welche nicht abgedeckt sind, die den Geist aufgegeben haben. Der große vordere RV ist noch super, die zwei verdeckten Taschen ebenso.

Hohe Tatra – 2018

Disclaimer: Nein, ich bekomme kein Geld von irgendwem oder von Tilak. Auch die Jacke habe ich selbst bezahlt und die Touren damit auch.

Wenn noch Fragen auftauchen, oder Bemerkungen nötig sein sollten – die Kommentare stehen erstmal allen offen!

Beste Grüße
LOW

2
0
Would love your thoughts, please comment.x